Morgen diskutieren wir im Innenausschuss zwei NEOS-Anträge zum Staatsbürgerschaftsrecht, die erstens Nachkommen von NS-Verfolgten den Weg zur österreichischen Staatsbürgerschaft erleichtern sollen. Zweitens soll es für britische Staatsbürger möglich werden, eine österreichisch-britische Doppelstaatsbürgerschaft zu halten.

Hinter unseren Anträgen stehen viele Einzelschicksale, die wir verbessern wollen- wie jenes einer jungen Britin, die in Wien lebt und deren Großmutter einst vor dem Nazi-Regime flüchtete. Sie schrieb meinen KollegInnen aus dem Innenausschuss und mir diese Woche ihre Geschichte:

„Ich heiße X. Ich bin in Schottland aufgewachsen und gleich nach dem Studium 2011 nach Österreich gekommen. Hier bin ich freiberuflich bei zwei Internationalen Organisationen tätig. Ich habe hier ein Leben aufgebaut: ich habe Deutsch gelernt, mein Sohn hat sowohl einen britischen als einen österreichischen Pass, ich zahle einen Wohnkredit ab.

Es war ein schöner Zufall, dass ich in Wien gelandet bin: Zurück zu meinen Wurzeln. Meine Oma ist 1938 von Wien nach England geflüchtet. Ihre jüngere Schwester, ihre Tante, und 3 von ihren Cousins (aus dem Nachbarhaus) sind in verschiedenen Konzentrationslager ermordet worden.

Nach der Brexit-Abstimmung habe ich angefangen zu recherchieren, ob und wie ich einen österreichischen Reisepass bekommen kann. Die MA35 hat mich trocken informiert, dass es schlichtweg nicht geht, weil meine Mutter das eheliche Kind von einer Österreicherin ist, und die alte Rechtslage noch gilt (die wenigsten weiblichen Holocaust-Überlebenden hätten nach 1983 noch Kinder bekommen können).
Später hat mir meine Mutter erzählt, dass sie die Staatsbürgerschaft sogar beantragt hat. Sie wurde abgelehnt. Ich habe dann später verstanden, dass sowieso keine Doppelstaatsbürgerschaft möglich gewesen wäre – insofern wäre das keine schöne Vorstellung für uns. Ein Großteil unserer Vorfahren konnte damals mangels Visum nicht ausreisen. Wir würden deswegen sehr, sehr ungern unsere britischen Pässe aufgeben, vor allem jetzt:

wie könnte ich denn nach Brexit wieder zurückkehren um z.B. meine Eltern im Alter zu pflegen? Meine Mutter und ich waren beide erstaunt, dass Österreich so mit den Nachfahren von weiblichen Schoah-Überlebenden umgeht. Deutschland kann uns auch nicht helfen: Obwohl meine Großmutter nach dem Anschluss geflüchtet ist (d.h. eigentlich aus der deutschen Ostmark), wurde sie nach dem Krieg automatisch wieder zu Österreicherin gemacht.

Ich war deswegen positiv überrascht, als ich das Regierungsprogramm gelesen habe. Seite 33: Doppelstaatsbürgerschaft wird ermöglicht für Nachfahren der Opfer des Holocausts. März 2018 kam endlich ein Regierungsvorhaben darüber, allerdings war dort keine Rede davon, wann es zustande kommen würde und wie man die jetzige Diskriminierung gegen Nachfahren von Frauen korrigieren würde.

Ich schreibe Sie jetzt an, weil ich gesehen habe, dass der Innenausschuss am 14.2. zwei Oppositionsanträge zur Doppelstaatsbürgerschaft für Nachfahren der Opfer des Holocaust/Faschismus behandeln wird. Ich freue mich, dass diese Frage endlich auf die Tagesordnung kommt. Ich nehme aber an, beide Anträge werden vertagt oder abgelehnt werden, weil sie von Oppositionsparteien stammen. Ich habe auch Frau Dr. Kneissls Erklärung, dass Österreich zuerst teilweise aus dem Abkommen zur Vermeidung der Mehrstaatigkeit austreten muss, gelesen.

Ich möchte Sie erstens auf unseren Fall aufmerksam machen. Ja, es gibt uns. Zweitens möchte ich das BMEIA fragen, wie die Regierung hier vorgehen möchte. Wie lang wird die Gesetzesänderung voraussichtlich noch dauern? Brexit naht. Meine Mutter wird nicht jünger und ihr Ärger nicht weniger. Ich habe die Gesetzesentwürfe zu den in Österreich lebenden Briten im Fall eines ungeregelten Brexit gelesen und befürchte, dass ich als freiberufliche bei internationalen Organisationen sehr viele Probleme haben werde. Kolleginnen mit ähnlichen Arbeitsverhältnissen erzählen schon jetzt Horrorgeschichten darüber, wie sie die Bescheinigung des Daueraufenthaltes nicht bekommen oder tausende einzelne Tagesverträge einreichen müssen.

Ich würde sehr gerne wissen, wie die Verhandlungen am Donnerstag ausgehen und freue mich auf Ihre Antworten.

Hochachtungsvoll, X“

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00438/imfname_716096.pdf?fbclid=IwAR0x0LedBP_WdmZpmiHgr5xIo04SBQvc-TD1Wc3Uj5MIjelb7FI-dKmZPbI